

Winter in der Brust, Huhn zwischen den Zähnen (Sing meinen Song 6)
Ich habe wirklich gekämpft, diesen Winter. Monate lang habe ich mir rotzende Familienmitglieder mit Handkantenschlägen vom Leib gehalten, habe mit Hypnose mein Immunsystem gestärkt (!) und bin mit Tuch vor dem Mund Bus gefahren, Asiatische –Omi –Style.
Und jetzt hat er mich doch erwischt, der Berliner Februar. Vier Tage vor Abreise habe ich Gliederschmerzen, Hitzewallungen, und einen bösartigen, reißenden Husten, der innerhalb von Tagen in drastische Heiserkeit umschlägt.
Komödiantische, comic-hafte, komplette Worte ausknipsende Heiserkeit.
Aber hey. Aus irgendeinem Grund bleibe ich seltsam ruhig. Ich bin gut vorbereitet, ich hab gute Laune, ich hab schon Schlimmeres erlebt. Wird schon werden!
(Spoiler: Wird es nicht. Der Infekt soll mich bis zum Ende des Drehs in Südafrika begleiten, zwischendurch wird er mal besser, dann drehen wir das Show -Intro am Strand und der
Wind verweht mir die Stimme erneut. Und ja, vielleicht wird auch zu viel gelacht und gesungen und auf schwankenden Jeeps quiekend durch die Dünen geheizt. Aber ich will halt da sein, wenn es passiert, nicht wahr. Sollnse doch denken: die Holofernes, die klingt jetzt halt wie Bonnie Tyler.)
Aber: mir kann keiner was. Ich steige in Kapstadt aus dem Flieger und habe das Gefühl, mein Herz geht nicht einfach nur auf, es seufzt und knirscht und verdoppelt sich in der Größe. Heinrich, der Wagen bricht, denke ich, und muss mich beherrschen, nicht den Kopf aus dem Fenster des Shuttles nach Grootbos zu hängen. Marian, Mary und Leslie, die mit mir im Shuttle sitzen, drücken die Nasen an die Scheibe.
Im Grootbos Nature Reserve angekommen zeigt mir eine nette Frau mit lustigem Akzent – Crocodile Dundee trifft Rajesh Koothrappali – mein Zimmer. Und meinen Balkon. Mit meinem Hängeschwingesessel. Und meinem buschigen, windzerzausten Afrika vor der Nase.
Ich warte höflich, bis die nette Frau mir alle komischen Schalter erklärt hat, dann schließe ich die Tür, setze mich in meinen Hängeschwingesessel und weine erstmal ein paar Tränchen der Erleichterung. Mein Winter war zu lang, er hat im Grunde im letzten Juni begonnen, und er war zu dunkel. Hier ist der Himmel klar und weit und blau, und der ganze Ort trägt eine tiefe Stille in sich, die sich wie eine kühle Hand um mein Herz legt und es versorgt.
Auf dem Nachbarbalkon telefoniert Leslie frohsinnig mit ihrem Management, ich sitze und schaukle und bin selig vor mich hin. Zwei Stunden habe ich, und ich verbringe sie genau dort, im Schwingesessel, mit Blick auf den Himmel, das Meer, den Fynbos – jene einzigartige, struppselige Vegetation, zu der ich später noch eine Führung bekomme soll (wildes Marihuana! Artischockengroße Blumen!). Seufz. Alles gut. Und meine Stimme wird sich schon noch erholen. (Spoiler: Nein.)
Am frühen Abend wandle ich leichten Schrittes auf die Terasse des Haupthauses, wo wir abgeholt werden zur Begrüßungsparty. Ich kann es in den angegrillten, beseelten Gesichtern der Anderen sehen, sie sind genau so tiefenverliebt in diesen Ort wie ich. Wir alle kennen das Hotel schon aus dem Fernsehen, wir wußten, dass es schick ist, und groß und ultra –stylish. Aber was man im Fernsehen nicht gesehen hat, ist die Stille, und die Weite. Und der Duft des Fynbos.
Wir werden abgeholt und fahren zur Forest Lodge, ein paar Autominuten entfernt, wo wir etwa eine Stunde lang feixend, augenreibend und mit zuckenden Mundwinkeln auf der obszönen Terrasse herumstehen. Das Produzententeam lächelt väter- und mütterlich. Mit geplätteten Künstlern hat man hier Erfahrung. Und so erwartet keiner von uns, dass wir heute noch… zusammenhängende Sätze…. Das, äh, gut. So… schön.
Als es dunkel wird, wechseln wir den Ort, werden grinsend und ohne weitere Erklärung in den angrenzenden Wald geführt. Und dort spätestens verschlägt es uns endgültig die Sprache. Der Wald ist dunkel und duftend, es zirpt und flötet und raschelt, und in den Bäumen hängen Millionen von kleinen Lichtern. Durch die Bäume dringt leise Musik, die klingt, wie von Südafrikanischen Feen gespielt, und nach etwa fünf Minuten treten wir auf eine kleine Lichtung. Auf der Lichtung spielt eine kleine Band, an drei Grills stehen feixende Grillmeister – niemand ist so stolz auf seine Grillkünste, wie die Südafrikaner – und dazwischen steht das komplette Voxteam und fließt über vor Gastgeberstolz und Vorfreude. Damit ist endgültig geklärt, warum hier alle immer so unverschämt gut gelaunt sind. Die haben´s einfach total drauf.
„Ich… euch… alle… schon… lieb!“ krächze ich, und jemand bringt mir taktvoll ein gegrilltes Tier. Auf dem kaue ich mit Tränchen in den Augen herum, während Mark seine ultrasouveräne Begrüßungsrede hält. Und der Winter in meiner Brust schmilzt auf ein dreckiges kleines Häufchen Rollsplit zusammen. Ich weiß, zwischen dem Rollsplit werden sich wieder Diamanten finden, aber die suche ich mir später raus.