Arrangier meinen Song – der Widerspenstigen Zähmung (SMS 3)
Nachdem die Songs endgültig verteilt sind, geht es ans Üben und Arrangieren, ans Zureiten und Zähmen der Songs. Bei fast jedem meiner sechs Beutestücke habe ich sofort eine Vision, wie ich es anlegen möchte. Und dann: eine plötzliche Eingebung, mit wem ich gerne an den Songs arbeiten möchte!
Hannover
Und so fahre spontan nach Hannover, zu einem alten Freund. Feix. Yep. Mit wem könnte ich meine kruden Einfälle („Wie die Ronettes, weißt du??? Aber so als hätten sie ein Baby mit Joan Jett und den Undertones gemacht!!! Verstehste???)* schöner ausarbeiten, als mit einem gewissen Jean -Michel Tourette – jenem Kumpel aus Jugendtagen, mit dem ich eh schon laaaang mal wieder Musik machen wollte. Und was passt besser, wenn man viel Vergangenheit hat, und Sehnsucht, und Hemmnisse, und Gepäck, als gemeinsam an einer solchen Spaßsause zu arbeiten, an etwas, das zu gleichen Teilen Musik und Gesellschaftsspiel ist? Genau.
Also verziehen wir uns zusammen in Jensens Kellerstudio, und innerhalb einer Stunde, nach anfänglichem Zögern und der ein oder anderen Berührungsangst („Oh ja, lass uns mit dem anfangen, den finde ich echt… krass,“) hat auch Herrn Tourette der alte Spieltrieb übermannt, der uns über zwölf Jahre zu so viel Schönem und so viel Quatsch geführt hat. Nach etwa vier Tagen, einigen Kilo zerkochten Bestellspaghetti und freudlosem Italienersalat, kommen wir mit sechs erstaunlich „neuen,“ meinigen Songs wieder heraus.
Mannheim
Wieder eine Woche später steige ich erneut in den Zug, diesmal nach Mannheim. Ich bin verabredet mit Bandleader Mathias Grosch, seines Zeichens Vorstandsvorsitzender der schönen Hausband „Grosch´s Eleven.“ Mathias ist, zu meiner Erleichterung, ein rundum gelungener, entzückender Ausnahmetyp, der alles (!) kann und trotzdem versteht, was jemand wie ich so will. Beim ersten Treffen überarbeiten wir meine Vorproduktionen, besprechen, wie wir die Stimmen auf die elfköpfige Hausband verteilen, wen wir wo brauchen (Alle!!! Immer!!! Bläser? Klar!!!) und wo ich selbst welche Gitarrenparts spielen möchte. Gekichert und gekocht wird auch. Dann checken wir ein letztes Mal die Tonarten – und Mathias notiert nebenher aus der lauen Luft meine mitgebrachten Arrangements, auf Papier(!), wobei ich mit ausgerenktem Kiefer zugucke. Diese Tage sind sehr lustig und rundum erfreulich, ich fahre beseelt und giggelig nach Hause.
Das nächste Mal, als ich nach Mannheim fahre, erwartet mich die komplette Besetzung von Grosch´s Eleven. Am Abend der ersten Probe bin ich heiser, euphorisiert und ein kleines bisschen durch den Wind. Mit der Sing meinen Song –Hausband zu spielen fühlt sich an wie Porsche fahren. Und ich hab noch nicht mal einen Führerschein! Aber: ich bemerke erfreut, wie wenig mich die Arbeit mit einschüchternden Leuten inzwischen einschüchtert. Und das ist definitiv neu, das wäre noch vor ein paar Jahren anders gewesen. Ich bin froh über die letzten Jahre Solo -Arbeit, froh über meine Erfahrungen als Bandleaderin, froh, dass ich inzwischen so gut sagen kann, was ich will, und froh, dass man es inzwischen sogar manchmal versteht, wenn man nicht mit mir verheiratet ist.
Aber, und das ist eine echte Ausnahme in einem Metier, in dem es vor „Auftragskillern“ wimmelt: diese Band ist durch die Bank mit geschmackssicheren und coolen Leuten besetzt. Coolen Leuten mit einer übermenschlichen Auffassungsgabe, die alle unsere Arrangements vom Blatt spielen, ohne sich davor auch nur zu räuspern, die aber trotzdem noch sichtbar Freude am Krachmachen haben. Und, nur so ein Gefühl: vielleicht sogar eine Extraportion Freude an dieser, meiner ganz speziellen Variante von Krach. Zumindest wird deutlich enthusiastischer mit den Köpfen gewackelt, als professionell notwendig wäre.
Nur hier und da muss ich die Bande von Übermusikern sanft überreden, deutlich schlechter zu spielen, als sie könnten. Und auch die umwerfenden, naturgewaltigen, Xavier –Naidoo –geschliffenen Backgroundsängerinnen, Laura Bellon und Katja Friedenberg, haben glücklicherweise außerordentlich viel Humor – und verzeihen es mir, dass ich ihre wunderschönen Stimmen hauptsächlich in schallernden, zeternden Cheerleaderchören unterbringen möchte. Einen leichten Irriationsmoment gibt es vielleicht nur, als ich Gitarrist MV eröffne, ein Solo dürfe er bei Marians Song nur spielen, wenn es wirklich richtig scheiße ist. Weil: ein gutes, ernstgemeintes Gitarrensolo kommt mir nicht ins Haus. Spoiler: in Südafrika spielt MV natürlich ein umwerfendes, kreatives, geschmackvolles und rundum unscheißiges Solo, und ich komme ganz gut darauf klar. So gut, dass ich im Eifer des Gefechts auf mein eigenes Gitarrenkabel trete und kurz in Erfurcht verstumme.
Ich verlasse das Probestudio in Mannheim mit einem deutlichen Gefühl von „Weeeheeee!“ und bin beinahe so etwas wie beruhigt. Bis mir einfällt, dass ich meine Texte noch nicht fertig habe, und es in wenigen Wochen losgeht nach Südafrika.
*viel Spaß beim Erraten, welcher Song das geworden ist.