Sleepless in Tórshavn, Teil 3
Teil 3: Daylight in your eyes
Der Hafen liegt ins selbe silbrige Halblicht getaucht wie der Rest der Insel, ungestört von all zu viel Neonzivilisation. Über wippenden Fischkuttern und Freizeitbooten dräut derselbe dramatische Himmel, mit dunkelgrauen Pinselstrichwolken, die aussehen, als hätte ein dreijähriger Thor beim Malen einen Wutanfall bekommen. Vielleicht, weil ihm sein Hafen zu klein war.
Zwei Minuten Fußweg entfernt, in einer Gasse direkt hinter dem Hafenbecken, liegt das kleine Häuschen, dass ich bewohnen werde. Ein Yogastudio mit drüber liegendem Apartment, die Besitzerin, eine Freundin von Teitur, ist verreist und überlässt mir ihre mit Yoga –Bliss aufgeladene kleine Bleibe. Die Holzböden und Wände sind nordisch weiß gestrichen, und von allen Seiten lächeln mir schwarzweiße, indische Rentner entgegen. Die kleine Wohnung ist spartanisch eingerichtet, in skandinavisch- indischem Chic, und strahlt eine Ruhe und Klarheit aus, die beinahe zu gut zu meinem silberlichtigen Geisteszustand passt.
An den Fenstern hängen durchsichtige, pinke und weiße Sari -Tücher, durch die hell das Tageslicht hereinfällt. Ich mache eine mentale Notiz: „Durchsichtig, hell, Tageslicht“, voll bewußt, dass es hier nachts nur drei Stunden dunkel wird. Beim Herausgehen zerknülle ich die eben gemachte Notiz nachlässig und setze mich ohne noch einmal darüber nachzudenken zu Teitur ins Auto. Jetzt, wo ich meine Koffer abgeladen habe, wollen wir zu ihm nach hause. – haben wir doch gerade kichernd beschlossen, dass wir selbstverständlich noch heute anfangen werden, zu schreiben.
Wieder geht es zwanzig Minuten über einsame Landstraßen entlang der Klippen und Hügel, das Licht das Selbe, wie Stunden zuvor, bei meiner Landung. Ich habe schon jetzt jegliches Zeitgefühl verloren, ein Blick auf die Uhr verrät mir, das früher Abend sein sollte.
Als ich Teiturs Häusschen sehe, gluckst die angestaute Seeligkeit das erste Mal über. Es ist eines der winzigen Arne Tolkien -Häuser, und es steht mitten im schafigen Nichts, und nach etwa zweihundert grünen Metern fällt der Blick über die Klippen ins Meer. Und um meine Beine springt ein Hund, der sich offensichtlich freut, mich wiederzusehen, obwohl wir uns noch nie getroffen haben. Er heißt Dexter, aber nicht nach dem Serienkiller.
Drinnen warten eine hübsche kleine Küche und ein Wohnzimmer mit Couch und Klavier. Von dort schauen zwei große Fenster auf´s Meer hinaus – jedes ein perfekter Rahmen für eine der zwei gegenüberliegenden Inseln. Kein Wunder, dass Teitur so viele tolle Songs schreibt, denke ich. Ich würde nie aus dem Haus gehen. Ein prophetischer Gedanke, wie sich heraustellen wird. Anstatt uns einen Kaffee zu machen, beschließen wir, den kalten Kaffee vom Morgen zu trinken, und machen uns an die Arbeit.
Fünf Stunden später und mit einem beinahe fertigen neuen Song unter dem Gürtel –diesmal auf deutsch – fährt Teitur mich durch die taghelle Nacht nach Hause. Grinsend wanke ich in mein Haus, ziehe die pinken Tücher vor das Fenster, lege mich in mein Bett und schlafe. Nicht.
Anmerkungswiederholung: Liebe Meeresfreunde, bitte postet keine Bilder von toten Walen mehr in mein Tagebuch. Ich weiß vom „Grindadrap“, das heißt: ihr könnt davon ausgehen, dass ich mich dem zuwenden werde, wenn (und wann) ich es möchte. Ich respektiere euer Hingabe an den Tierschutz, bitte respektiert im Gegenzug meine Kunst und meine Erzählung. Und vor Allem: mein digitales Zuhause.